ROSE CYCLESTORIES // AUSGABE 1.2019

Der Weg ist das Ziel

Schnell ins Büro, zum nächsten Termin, das Kind zur Kita oder in die Schule wuppen. Noch flux Einkaufen und bei der Post reinhüppen, dabei zackig in der zweiten Reihe parken, dauert ja schließlich nicht lang. Immer auf die Vorfahrt beharren, schön dicht auffahren und bloß niemanden dazwischen lassen. Man hat halt wenig Zeit und dafür noch mehr Stress. Zu viele Karren für zu wenige Wege, zu breite Kisten für die zu engen Straßen. Rote Ampeln, rote Rücklichter, Stau, Stau, Stau. Beruflicher Druck, ein enger Familienzeitplan und ganz schlimmer privater Freizeitstress. Man kann gar nichts dafür, dass man es halt eilig hat. Hetzen, hasten, bloß nicht rasten. Wer zu viel Zeit hat, ist ja auch nicht gefragt.

Das explosive Gemisch im Straßenverkehr ist vielseitiger als das Angebot an Eissorten beim Dealer „umme Ecke“. Dabei täte den meisten Hitzköppen da draußen das Eis mal ganz gut, um ein paar Grad runter zu kühlen. Die meisten verbringen ihre Zeit aber damit, sich in die Blechschüsselpolonaise einzureihen und daran zu denken, wie schön doch jetzt ein leckeres, cremiges Eis wäre. Mmmmmh.

Der Frust entlädt sich dann häufig in gefühlvollen Gesten mit den oberen Extremitäten, herzlichen Komplimenten und wo es nur die Chance gibt, in einem liebevollen Fahrverhalten – welches an Rücksichtnahme natürlich kaum zu überbieten ist. Nirgendwo ist so viel Nächstenliebe zu spüren wie auf unseren Straßen.

Autofahren ist anstrengend und sich im Straßenverkehr mit und auf dem Rad zu bewegen ist eben häufig auch kein cremiges Zuckerschlecken. Gerade in Ballungsgebieten zu Berufsverkehrszeiten ist die Safari durch den Großstadt-Dschungel gespickt mit zahlreichen Situationen, auf die man eigentlich sehr gern verzichten mag. Knappe Überholmanöver durch Abstandslegastheniker gepaart mit schnittigen Abbiegeaktionen, in den Weg springende Autotüren, tote Winkel, und aggressive Fahrweisen überlegener und ach so wichtigerer Verkehrsmitspieler. Dazu auch noch grubentiefe Schlaglöcher, Cliffhanger-Radwege oder auch gerne gar keine.

Wenn man wissen mag wie schön manche Dinge sind und sein können, ist es gar nicht so schlecht, sich diese irrsinnigen Verhältnisse vor Augen zu führen. Denn am Ende sind es doch nur winzige Momentaufnahmen, die man mit etwas Routine aber auch sehr gut im Griff, oder sagen wir, im beherzten Pedal haben kann. Besonders viel Freude macht es dann daran zu denken, wenn man mit seinem treuen Drahtesel an stehenden Karosserieklumpen vorübergleitet und sich durch beruhigte Parallelstraßen schlängelt. Den Lenker fest im Griff entscheidet man selbst den Weg, der gern auch mal schneller und kürzer ist als mit dem Auto. Gut, wenn es schnell gehen soll. Wer aber zu schätzen weiß, dass es beim Radeln nicht bloß ums ankommen geht, hat längst erkannt, dass ein schöner „Umweg“ viel mehr eine Verlängerung vom „Kurzurlaub auf zwei Rädern“ ist. Der Körper dankt es einem dazu noch mit Gesundheit und Fitness. Die gemischte Tüte von der Bude streift spurlos an der Hüfte vorbei und Stress und schlechte Laune trampelt man einfach nieder. Die Vorstellung weder im Stau, noch in einer stickigen Bahn stehen zu müssen, lässt sogleich die Mundwinkel nach oben schnellen und selbst ein kleiner Regenschauer macht einem nichts aus – ist schließlich auch nur Wasser.

Kleine Feldwege, die motorisiert nicht zu erreichen wären, bescheren einem schöne Aussichten und das folgende Waldstück die nötige Ruhe vom Stadttheater. Und weil einem nicht der nächste Termin im Nacken pappt, weil man noch genügend Zeit vom eingeplanten aber nicht benötigten Zeitpuffer hat, spuckt einen der Wald auch noch an der Lieblingseisdiele mit den zig tollen Sorten aus. Wie lecker so ein cremiges Eis doch schmecken kann. Mmmmmmh.

Illustration und Text
Jule Wagner